Helmut Dohrmann

Im Alter von etwa 10 Jahren entdeckte ich in einer Jugendzeitschrift das „Kunstwerk des Monats“. Ich begann, diese Beiträge zu sammeln und tapezierte mein Zimmer damit. Im Dorf zwar bekannt für meine kindlichen Zeichenkünste, mangelte es mir in meinem bäuerlichen Umfeld jedoch an Förderung und Anregung. Inspiration bot „nur“ die Natur in Gestalt von Moor, Eichen und lichtem Kiefernwald, davon aber reichlich.

Über mein Bett hatte ich die Auferstehungsszene aus dem Isenheimer Altar des Mathis Grünewald gehängt. Mehr noch als der auffahrende Christus in seiner grandiosen Lichtgloriole begeisterten mich die zu des Heilands Füßen hinstürzenden Landsknechte in ihren penibel gemalten Kettenhemden – wie sehnte ich mich, dereinst auch einmal so gut malen zu können…

Vorübergehend ging ich während der Pubertät meiner ursprünglichen Ziele verlustig und begann (ach, ihr lieben Eltern…) aus Ratlosigkeit eine „Irrlehre“ als Bankkaufmann. Entscheidende Umkehr und Prägung  erfuhr ich im Alter von 20 Jahren durch fernöstliche Meditation in Praxis und Theorie. Schnell fühlte ich mich wie neu geboren, fand mich zeichnend und malend wieder, entwickelte einen ungeheuren Appetit auf Kunst, Literatur und Musik und vertiefte meinen Blick auf die Natur. Jahre später – auch durch die Kenntnis fernöstlicher Landschaftsmalereien – entdeckte ich auf diesen Wegen die Unabdingbarkeit von Leere und Form.

Ich bewarb mich folgerichtig für ein Kunststudium an der Folkwangschule in Essen, Dürern, Rembrandt und Konsorten nacheifernd. Mein künstlerisches Weltbild war noch recht beschränkt und einseitig damals, denn ich wollte erst-einmal nichts über die präzise zeichnerische Erforschung der Dingwelt kommen lassen. Professor Lampe jedoch, ein würdiger alter Wiener Kunsthistoriker, brachte meine Welt gründlich ins Wanken. Mit Leidenschaft, Begeisterung und Sendungsbewusstsein gelang es ihm, mich und andere für ab- strahierende Malerei, besonders jene eines Paul Klee, zu begeistern. Nach eigenen, bald als blutleer empfundenen Versuchen in dieser Richtung pflegte ich jedoch schnell wieder mein Naturstudium und zeichnete viele Bäume in Wäldern und Parks. Meinen Lehrern jedoch ging die vermeintliche Penetranz dieser Übungen zunehmend auf den Geist… („Sie sollen das doch nur umsetzen!“) – „Aber dazu muss ich es doch erst einmal gründlich kennenlernen, mich in es vertiefen!“ Die Fronten waren bald klar abgesteckt.

Mitte der 70er Jahre pilgerten wir Folkwängler zur Kästner-Gesellschaft nach Hannover, um Horst Janssen, dem neuen Stern am deutschen Kunsthimmel zu huldigen. Da war also jemand, der sich einfach vor eine Kopfweide setzt und zeichnet, mit einer allerdings unnachahmlichen „Schreibe“. Ob der dabei wohl an das berüchtigte „Umsetzen“ dachte? Innerlich bestätigt kehrte ich zu meinen Übungen zurück. Paul Klee hatte ich dennoch nicht vergessen. Dürer und Klee – meine Antipoden. Lange habe ich im Spagat dieser Polarität gelebt und gelitten. Eine Synthese ist mir wohl durch die künstlerische Verarbeitung der im Harz entdeckten Schieferstrukturen am ehesten gelungen (Siehe mein Buch „EINE PRIVATE GEOLOGIE“).

Nach und nach verlor sich die anfängliche Schwierigkeit, heute beinahe fotorealistisch zu arbeiten und morgen dann – scheinbar – am Rande der Abstraktion (Wer bin ich? – Wer will ich sein?). Die Dogmen wichen zunehmend einer neuen Freiheit. Um die Kluft zwischen Ich und Du – Subjekt und Objekt – zu überwinden (denn darum geht es mir immer), mochte heute der eine, morgen ein anderer Weg tragfähig sein.

www.helmut-dohrmann.de

Zurück

This is a unique website which will require a more modern browser to work!

Please upgrade today!

Share